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Dienstag, 12. Juli 2016

Film-Rezensionen: Eddie the Eagle (2016) (Deutsch)



Eddie the Eagle



Die Älteren werden sich erinnern: Im Jahr 1988 gab es bei der Winterolympiade in Calgary/ Kanada einen Ski-Springer, der unter dem Namen Eddie the Eagle in die Sportannalen eingegangen ist. Eddie, der eigentlich Michael Edwards hieß, ist als ungelenker Sportler mit dicker Brille und Fussel-Schnäuzer im Gedächtnis geblieben, der zudem für Großbritannien an den Start ging, eines nicht gerade als Ski-Sprung-Nation bekannten Landes, um den die Zuschauer vor jedem Sprung eher bangten oder über den gelacht wurde, als dass man ihn als Olympioniken ernst genommen hätte. Dieses Bild rückt der Film von Dexter Fletcher nun in Form einer Komödie gerade und schafft dabei paradoxerweise genau das, was diesem Michael Edwards damals verwehrt blieb: Er nimmt ihn ernst!


Seit langem ist dies einmal wieder ein unterhaltsamer Kinofilm, der intelligent, charmant und berührend Herz und Gemüt anspricht, ohne dass es an spektakulären Schanzen- und Schussfahrtsequenzen fehlt, die dem Zuschauer in hautnahen Bildern deutlich machen, was die vermeintliche Witzfigur „Eddie“ Edwards tatsächlich geleistet hat. Ganz gleich, wie genau hier die realen Ereignisse widergespiegelt werden, wie viel von dem echten Michael Edwards zu sehen ist, den Ski-Springer Eddie gab es und seine Geschichte auch.


Gezeichnet wird das Bild eines Außenseiters, der sich nichts sehnlicher wünscht, als einmal bei Olympischen Spielen dabei zu sein, obwohl er für keine Sportart ausreichende Voraussetzungen mitbringt, um jemals Erfolg zu haben. Ein fast noch stärkerer Antrieb ist es für ihn aber, aller Welt, die ihm diesen Traum ausreden will, zu zeigen, dass es dennoch möglich ist.


Soweit bedient der Film das Klichee vom Underdog, der nicht aufgibt und es am Ende allen zeigt, doch den Film darauf zu reduzieren, springt, um im Genre zu bleiben, zu kurz. Denn anders als in den meisten anderen Werken zu diesem Thema geht es von vorneherein nicht darum, zu gewinnen, sondern überhaupt dabei sein zu dürfen, gemäß dem Satz Pierre de Coubertins: „Das Wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht zu gewinnen, sondern daran teilzunehmen“. Aber auch dies ist noch nicht der eigentliche Kern, nur dabei zu sein erfüllt den Anspruch immer noch nicht. Den wahren Geist macht aus – und hier steht der Sport für das Leben – dabei zu sein, aber nicht halbherzig, sondern, bei allem, was man in Angriff nimmt, sein jeweils Bestes zu geben, dann ist das, was am Ende herauskommt nur noch zweitrangig. In einer Schüsselszene zwischen Eddie und dem finnischen Superstar Matti Nykänen stellt dieser Eddie und sich auf dieselbe Stufe, obwohl zwischen ihren sportlichen Leistungen Welten klaffen, aber ihre Leidenschaft, vielleicht schon Besessenheit, macht sie einander ähnlicher, als es auf den ersten Blick erkennbar ist. Eine solche Leidenschaft lässt Menschen über sich hinauswachsen, im Leben wie im Sport, und lässt sie Dinge vollbringen, vor denen ein „vernünftiger“ Mensch schaudernd zurückweicht – wie den Sprung von einer 70 Meter hohen Schanze.


Diese Besessenheit in einen positiven Kontext zu bringen ist ein Verdienst des Films, den man nicht hoch genug einschätzen kann, in Zeiten, wo allerorten Menschen, von religiöser oder pseudo-religiöser Überzeugung besessen, die Welt terrorisieren und Angst, Schrecken und Tod verbreiten.


Ein weiteres Verdienst des Films ist, ein hervorragendes und gut aufgelegtes Schauspieler-Ensemble versammelt zu haben.


Taron Egerton, der aus „Kingsman-The Secret Service“ noch in guter Erinnerung ist, glänzt als der naive Tor Eddie, der sich in aller Unschuld auf den Weg macht, ein unmögliches Ziel zu erreichen. Er zeigt überzeugend, wie Eddie beinahe diese Unschuld zu verlieren droht, als er sich von den vermeintlichen Begeisterungsstürmen der Zuschauer mitreißen lässt, die ihn aber als Sportler nicht ernst nehmen. Glücklicherweise hat ihm sein Trainer Bronson Peary als erstes beigebracht, wie man richtig landet…


Der Person des (fiktiven) Trainers verleiht Hugh Jackman in seiner gleichermaßen exzellenten Darstellung Tiefe und bewahrt sie vor der Gefahr der Eindimensionalität. Peary ist eine gebrochene Figur und ebenfalls ein Außenseiter, wenn auch im Hinblick auf seine Ski-Sprung-Fähigkeiten der komplette Gegenentwurf zu Eddie. Obwohl hochgelobt und mit überragendem Talent gesegnet, wurde er aus dem US-Olympiateam geworfen, weil er sich dem strengen Regime seines Trainers Warren Sharp – seinerseits eine ehemalige Ski-Sprung-Legende – nicht unterwerfen konnte oder wollte. Bronson Peary ist genau daran gescheitert, dass er zumindest in den Augen seines Trainers in den entscheidenden Momenten nicht sein Bestes gegeben hat, sondern sich allein auf sein Talent verlassen hat. Er fristet nun ein desillusioniertes Leben als Skipistenwart, zynisch, versoffen und ohne Perspektive. Widerstrebend nimmt er sich des jungen Briten an, eigentlich mehr, um den arroganten jungen Sportkollegen um ihn herum zu zeigen, worum es bei ihrem Sport wirklich geht, ohne zunächst zu merken, dass er sich damit endlich die Antworten gibt, die ihm selbst gefehlt haben. Am Ende gelingt ihm und seinem gleichermaßen geliebten wie gehassten „Übervater“ Sharp die Versöhnung, ein jetzt schon legendärer Moment zwischen Jackman und Christopher Walken bei dessen denkwürdigen Kurzauftritt.


Am Ende ist es unerheblich (zumindest für den Eddie im Film), wie es mit ihm weitergegangen ist. Er hat sein Ziel erreicht, und damit sind nicht die lapidaren 15 Minuten Ruhm gemeint, die jeder in seinem Leben erlangen kann, selbst wenn er rein gar nichts Bedeutendes leistet. Nein, es ist ihm „das Heil´ge, das am Herzen (ihm) liegt“ gelungen, wie Hölderin in seinem Gedicht „An die Parzen“ es gleichsam pathetisch wie brillant formuliert, „einmal lebt ich wie Götter, und mehr bedarf es nicht“!


Diesen Film sollte sich niemand entgehen lassen, der endlich einmal wieder etwas anderes im Kino sehen möchte als die Materialschlachten aus den diversen Blockbusterfabriken. Die wahren Superhelden sehen vielleicht nicht immer cool aus oder haben nicht immer einen coolen Spruch auf den Lippen, entscheidend im Leben sind aber keine Sprüche sondern die von einer wahren Leidenschaft getragenen Taten.


Ach, und last but not least: Der Soundtrack zum Film ist auch klasse!




Titel: Eddie the Eagle – Alles ist möglich

Regie: Dexter Fletcher

Buch: Sean Macaulay, Simon Kelton

Darsteller: Taron Egerton, Hugh Jackman, Iris Berben, Rune Temte, und in einer Gastrolle: Christopher Walken

Musik: Matthew Margeson

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