X-Men: Days of Future Past
Mit Beginn des Films erleben wir die Gemeinschaft der
Mutanten in ihrer dunkelsten Stunde. Der Spezies des Homo sapiens ist es
endlich gelungen, eine finale Waffe gegen die in ihren Augen gefährliche
Konkurrenz zu entwickeln und dieses Mal gibt es kein Entkommen. Die letzte
verbliebene Gruppe, unter ihnen Professor Xavier, Magneto, Storm, Kitty Pryde
und Logan, kämpft verzweifelt gegen ihren endgültigen Untergang, während die
meisten ihrer Gefährten bereits tot sind. Aber ihr Kampf ist aussichtlos, gegen
die Waffe der Menschen gibt es keine Mittel mehr. Sogenannte Sentinels, riesige
Roboter, mit einem Sensor ausgestattet, der sie jeden Mutanten aufspüren lässt,
eliminieren alles mutantische Leben mit tödlicher Präzision. Entwickelt wurden
die Sentinels in den 70er Jahren des 20.Jahrhunderts in den Laboren der Trask
Company unter der Leitung von Dr. Bolivar Trask, der es sich zur Aufgabe
gemacht hatte, die Menschheit ein für alle Mal von der Gefahr in Gestalt der
Mutanten zu befreien. Sein Programm war nicht unumstritten, aber ausgerechnet
ein Mutant, brachte die Wende, wenn auch unbeabsichtigt: Mystique, auf einem
Rachfeldzug gegen alle Feinde der Mutanten, hatte in Trask den Schlimmsten
gesehen und ihn ermordet, woraufhin das Sentinel-Programm etabliert und der
Untergang der Mutanten endgültig besiegelt wurde.
Es waren stets deren unheimliche Fähigkeiten, durch die sich
die Menschen bedroht fühlten, und genau diese Fähigkeiten eröffnen dann doch
eine allerletzte Chance, die vom Untergang bedrohte Spezies noch zu retten.
Kitty Pryde ist in der Lage, jemanden durch die Zeit zu schicken und so sendet
man Logan in die Vergangenheit, in das Jahr 1973, um Mystique an der Ausführung
ihrer Tat zu hindern. Er ist der einzige, der für diese Mission in Frage kommt,
da nur er aufgrund seiner Selbstheilungskräfte die physischen Strapazen der
Zeitreise überleben kann. Seine Aufgabe besteht darin, Mystique aufzuspüren
(was bei einem Gestaltwandler nicht ganz einfach ist) und die Ermordung Trasks
zu verhindern. Zu diesem Zweck muss er ein Team zusammenstellen, bestehend aus
den jüngeren Ausgaben von Charles Xavier, Hank McCoy und Magneto. Ausgerechnet
Logan, der Einzelkämpfer, der sich nie wirklich als Teil eines Teams gefühlt
hat, muss mit Geduld und Fingerspitzengefühl – beides nicht gerade seine
hervorstechendsten Charakterzüge – Charles und Magneto aus ihrer jeweiligen
Gefangenschaft befreien und auf seine Seite ziehen.
Charles, immer ein offener Geist, hat kaum Probleme damit,
zu glauben, dass er selbst Logan aus der Zukunft geschickt hat, aber er steckt
in seiner schwersten Krise, selbstzerstörerisch, voller Zweifel und
Pessimismus. Logan hat einen seiner härtesten Kämpfe um den von ihm immer
bewunderten und verehrten Professor auszufechten, und dies ausnahmsweise einmal
nicht mit Fäusten und Krallen. Aber es ist wunderbar zu sehen, wie er mit
seiner Aufgabe wächst, bis es ihm gelingt, den wertvollen und um das Wohl von
Mutanten und Menschen gleichermaßen bemühten Mann hervorzuholen, der Charles
später einmal wird.
Die nächste Herausforderung ist nicht minder fordernd:
Magneto ist aus einem der sichersten Gefängnisse der Welt herauszuholen – einem
Raum tief unter dem Gebäude des Pentagons – in dem er seit mehr als zehn Jahren
gefangengehalten wird, weil er Präsident Kennedy ermordet haben soll. Die
Episode seiner Befreiung hätte Potenzial für einen ganzen Film, aber so viel
Zeit gibt es nicht. Wie die Aktion dann durchgeführt wird ist eines der vielen
kleinen Meisterstücke des Films, die sich am Ende zu einem so großartigen
Ergebnis – und Erlebnis – addieren! Einerseits schafft der Regisseur Bryan
Singer es, die Erwartungen an einen Blockbuster-Film mit opulenten, rasanten
und atemberaubenden 3D-Action-Sequenzen zu erfüllen. Andererseits baut er immer
wieder liebevoll witzige kleine – und ohne Zweifel dennoch technisch
anspruchsvolle – Szenen ein, die Spaß machen. Und wie Quicksilver zu den
Klängen von Jim Croce’s wunderbarem Song „Time in a Bottle“ zu Werke geht ist
einfach ein Ohren- und Augenschmaus!
Nachdem das Team um Logan und Charles dann steht, bewegt
sich die Handlung in dramatischen Schritten – man erlebt auf der ursprünglichen
Zeitebene, wie sehr es drängt, weil die Sentinel sich ihrem Ziel immer weiter
annähern – ihrem Höhepunkt entgegen.
Wer bei einer Geschichte über Zeitreise und verschiedene
Zeitebenen skeptisch ist, braucht nicht zu fürchten, über Ungereimtheiten zu
stolpern oder sich im Raum-Zeit-Kontinuum zu verlieren, die Handlung ist
plausibel und jederzeit nachvollziehbar, auch ein Kunststück, dass Singer mit
seinem Drehbuchautor Simon Kinberg vollbracht hat. Singer schafft es, die
„alten“ X-Men um Patrick Stewart und Sir Ian McKellan mit den jungen Generation
um James McAvoy und Michael Fassbender zu einer Einheit zu verschmelzen. Das
Bindeglied ist der nur sehr langsam alternde Logan, was es Hugh Jackman
ermöglicht, beide Rollen zu spielen. Überhaupt besticht Singers Werk durch eine
vielschichtige Charakterzeichnung, die in Action-Filmen dieser Art nicht
unbedingt selbstverständlich ist, was natürlich auch seiner hervorragenden
Schauspieler-Crew geschuldet ist. Bolivar Trask – mit Peter Dinklage als
Gegenspieler ebenfalls bestens besetzt – ist nicht einfach ein von Hass
getriebener Dr. Evil, sondern jemand, der auch das durchaus hehre Ziel
verfolgt, die Menschheit nach Jahrtausenden voller Selbstzerfleischung endlich
hinter einem gemeinsamen Ziel zu vereinen. Dass er dies um den Preis der
Auslöschung einer anderen Spezies erreichen will, ist sein Irrtum, ein Irrtum,
der der menschlichen Rasse jedoch offenbar immanent ist: Töte, was Du
fürchtest, oder weil es anders ist. Mystique unterliegt ihrerseits einem
Irrtum, indem sie die in ihren Augen größte Gefahr für sich und ihresgleichen
eliminiert. In der Gegenwart erscheint ihr ihr Handeln notwendig, bei Kenntnis
der Folgen, die ihre Absicht genau ins Gegenteil verkehren, hätte sie von dem
Mord Abstand genommen, wenn auch nicht aus moralischen sondern aus vernünftigen
Erwägungen. Beide Figuren handeln im Moment ihrer Tat in ihren Augen
richtig, wie so viele Protagonisten in der Geschichte, die für unendliches Leid
und Unheil verantwortlich sind, ein Korrektiv durch die Rückschau auf bereits
Geschehenes kommt immer zu spät. Aber hier eröffnet der Blick vor und zurück
nun die Möglichkeit, Fehler ungeschehen zu machen, deshalb sind Zeitreisen
grundsätzlich ein beliebtes Thema der Science Fiction.
Regie: Bryan Singer
Drehbuch: Simon Kinberg, Jane Goldman (story), Mathew Vaughn
Darsteller:
Hugh Jackman, James McAvoy, Michael Fassbender, Jennifer Lawrence,
Nicholas Hoult, Ellen Page, Peter Dinklage, Evan Peters, Omar Sy,
Patrick Stewart, Ian McKellen, Halle Berry, Bingbing Fan,
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