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Mittwoch, 25. September 2019

Film-Rezensionen: Nurejew – The White Crow (The White Crow)


In den 1960ger Jahren stehen sich Ost und West unnachgiebig gegenüber, der Wettstreit um Stärke und Macht erstreckt sich auf alle Bereiche, so auch auf die Kunst. Im Mai 1961 schickt die Sowjetunion das Kirow-Ballett, ihre beste russische Tanzkompanie, auf Tournee in den Westen. Auf der ersten Station in Paris sorgt dabei vor allem ein junger charismatischen Tänzers namens Rudolf Nurejew (Oleg Ivenko) für Furore, der die Rolle des Balletttänzers völlig neu interpretiert. Für ihn ist der Tänzer nicht bloß das "dritte Bein der Ballerina", er bewegt sich aktiv und dynamisch auf der Bühne, was zum damaligen Zeitpunkt etwas völlig Neues ist und das Publikum ist hingerissen.


In Rückblenden erfahren wir etwas über Nurejews Herkunft, die in keiner Weise auf seine spätere künstlerische Entwicklung hindeutet. Geboren wirder in einem Waggon der Transsibirischen Eisenbahn, wächst in ärmlichen Verhältnissen in einem Dorf nahe Ufa, der Hauptstadt der sowjetischen Republik Baschkortostan, auf. Er ist ein Außenseiter, eine „Weiße Krähe“ (White Crow), wie man dort sagt. Ein Zufall beschert ihm als Kind einen Ballettbesuch, von da an will er Tänzer werden. Als er es endlich schafft, aus der Provinz an eine renommierte Ballettschule in Leningrad zu kommen, ist er mit 17 Jahren eigentlich schon viel zu alt. Aber sein Ehrgeiz und unbändiger Wille treiben ihn an und lassen ihn nicht ruhen, bis ihn der renommierte Lehrer Puschkin (Ralph Fiennes) unterrichtet, und so schafft er, der nicht einmal zu den besten Tänzern seiner Generation gehört, es tatsächlich in das Kirow-Ballett, mit dem er nun auf Tournee ist.

Voller Lebenslust genießt er das Pariser Leben in vollen Zügen, geht aus, besucht Museen und trifft Menschen, freundet sich mit der jungen Chilenin Clara Saint (Adèle Exarchopoulos) an, bei allem argwöhnisch beobachtet und überwacht vom mitgereisten KGB. Er ist freiheitsliebend und rebellisch, aber manchmal zeigt er auch unvermittelt die dunklen Seiten seines Charakters, von jetzt auf gleich kann er unbeherrscht, arrogant und beleidigend werden, was auch seine Freundin Clara zu spüren bekommt. Als er vor dem Abflug nach London von der Kompanie getrennt und aufgefordert wird, nach Moskau zurückzukehren, steht er vor der Wahl zu gehorchen oder einen Antrag auf politisches Asyl in Frankreich zu stellen, entweder Heimat und Familie auf der einen oder Freiheit auf der anderen Seite, die schwierigste Entscheidung seines Lebens.

Der Film basiert auf der Biographie des legendären russischen Tänzers, Regie führt der britische Schauspieler Ralph Fiennes, der auch selbst eine Rolle übernommen hat. Er zeichnet den Lebensweg Nurejews bis zu jenem folgenschweren Tag am Pariser Flughafen Le Bourget nach, leider gehen in der deutsch-synchronisierten Fassung – zumindest wenn man dem Trailer glauben darf – sämtliche sprachlichen Nuancen verloren. Im Original wird Russisch, Französisch und Englisch gesprochen, selbst Ralph Fiennes, der viel Wert auf diese Authentizität gelegt hat, spricht als russischer Lehrer tatsächlich Russisch, bei uns spricht er nun, wie alle anderen, Deutsch.

Der junge ukrainische Tänzer Oleg Ivenko überzeugt in der Rolle Nurejews, er ähnelt ihm sogar ein wenig, und die Tanzszenen spielt er selbst. Das Flair der 1960ger Jahre ist gut eingefangen, ebenso die düstere Atmosphäre des von Misstrauen und Spannung geprägten russischen Umfelds. Trotz einiger Längen bietet der Film nicht nur für Ballettbegeisterte einen interessanten Einblick in die Geschichte und zum Schluss wird es sogar noch richtig spannend.

Regie: Ralph Fiennes
Drehbuch: David Hare, Julie Kavanagh in Anlehnung an ihr  Buch „Rudolf Nureyev: The Life"
Kamera: Mike Eley
Schnitt: Barney Piling
Musik: Ilan Eshkeri

Darsteller:
Oleg Ivenko, Ralph Fiennes, Louis Hofmann, Adèle Exarchopoulos, Sergei Polunin, Chulpan Khamatova


Studiocanal/ BBC Films/ HanWay Films
UK/FRK 2018
127 min.
Deutscher Kinostart: 26. September 2019
 

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