Robert Oppenheimer wird gerne als der „Vater der Atombombe“
bezeichnet, tatsächlich war er Leiter des „Manhattan Projekts“, einem Team von zahlreichen
Physikern und Spezialisten, das gegen Ende des zweiten Weltkriegs in der Wüste
von Los Alamos/ New Mexico fieberhaft an der Entwicklung dieser neuen Waffe
arbeitete, um einerseits den Deutschen zuvor zu kommen, andererseits aber auch
der zu diesem Zeitpunkt noch verbündeten Sowjetunion voraus zu sein.
Schwerpunkte des Films sind zwei Anhörungen in den 1950ger
Jahren, die eine, bei der es um die Entziehung von Oppenheimers (Cillian
Murphy) Sicherheitsfreigabe und damit um seinen Job geht, bei der anderen soll der
Politiker Lewis Strauss (Robert Downey Jr.), zur Zeit des Manhattan Projekts
Leiter der damals neu geschaffenen amerikanischen Atomenergiebehörde, als
Handelsminister im Kabinett Eisenhower bestätigt werden. Beide Verfahren dienen
mit ihren minutiös nachgezeichneten Verläufen als Aufhänger dafür, den Lebens-
und Berufsweg des Robert Oppenheimer nachzuzeichnen, von seinen Anfängen als junger
Wissenschaftler, über seine persönlichen und familiären Beziehungen bis zu
seinem Aufstieg als Leiter des „Manhattan Projekts“.
Dabei nimmt die eigentliche Arbeit an der Bombe einen
gewichtigen Teil des Films ein, insbesondere die Darstellung der
unterschiedlichen Charaktere der an dem Projekt Beteiligten, vom hemdsärmeligen
Militär Leslie Groves (Matt Damon), bis zum Scharfmacher Edward Teller (Benny
Safdie), der sich vehement für die Entwicklung der in ihrer Wirkung noch
mächtigeren Wasserstoffbombe stark macht. Höhepunkt dieser Arbeit und auch des
Films ist der letzte entscheidende Test in der Wüste, der optisch und akustisch
bombastisch und herausragend inszeniert ist.
Weniger spektakulär, aber nicht minder intensiv ist der persönliche
Kampf, den der Politiker Lewis Strauss gegen Oppenheimer führt, den dieser sich
durch eine mehr oder weniger unbedachten Äußerung zum erbitterten Feind gemacht
hat, woraufhin Strauss unversöhnlich alles daran setzt, Oppenheimer zu
diskreditieren, ja, zu vernichten. Einen äußerst wirksamen Hebel bieten dabei dessen
diverse Kontakte zu kommunistischen Kreisen, in den 1950ger Jahren und der
Kommunistenhatz unter der Ägide des Senators McCarthy ein berufliches Todesurteil, und die
diesbezüglichen Befragungen Oppenheimers bei seiner Anhörung werden von Nolan fast
schon genüsslich zelebriert.
Bei der Darstellung dieser voneinander verschiedenen
Anhörungen bedarf es allerdings einiger Aufmerksamkeit, um bei der Vielzahl der
aufgebotenen Akteure und Namen nicht den Überblick zu verlieren, dass die
einzelnen Erzählstränge mal in Farbe und mal in Schwarzweiß ablaufen, hilft
auch nicht immer weiter. Das Hin- und Herspringen zwischen verschiedenen
Zeitebenen bei den Vor- und Rückblenden ist inzwischen nicht nur bei
Christopher Nolan ein beliebtes Mittel, um eine Erzählung nicht einfach linear
zu präsentieren, sondern eine Komplexität zu schaffen, die sich jenseits von
Zeit und Raum entwickelt, und dabei den Verstand herausfordert, wie es manche
Theorien der Physik tun, wenn sie postulieren, dass es prinzipiell schließlich
auch unmöglich sei, den Ort und den Impuls eines Teilchens gleichzeitig
beliebig genau zu messen.
Getragen wird dieser wuchtige Film auf jeden Fall von einem
hervorragenden Cast, allen voran Cillian Murphy, in dessen Gesicht so viel und
gleichzeitig gar nichts zu passieren scheint, Quantenphysiker halt. Den
Zwiespalt, in dem sich Wissenschaftler wie er stets befinden, wenn sie etwas
Zerstörerisches in die Welt gebracht haben, obwohl sie doch nur das getan
haben, was sie tun mussten (sonst hätte es ein anderer getan…), zeigt Murphys
ambivalente Darstellung eindrucksvoll. Einerseits scheint sein Entsetzen
angesichts der verheerenden Wirkung der Bomben über Hiroshima und Nagasaki
echt, was auch zu seiner Weigerung, an der noch mächtigeren Wasserstoffbombe
mitzuarbeiten, führt. Andererseits nimmt er doch auch gerne den Jubel und die
Verehrung, die ihm als „Vater“ der Bombe entgegengebracht wird, als legitimen
Lohn entgegen.
Aber auch Robert Downy Jr. darf endlich einmal wieder
zeigen, was er auch noch kann, außer den Superhelden zu geben, und liefert ein
großartiges Porträt des von Ehrgeiz, gekränkter Eitelkeit und Rachsucht
getriebenen Politikers Strauss ab. Emily Blunt als Oppenheimers Ehefrau kommt erst
spät, aber dann umso eindrücklicher zu einem intensiven Auftritt, und Tom Conti
lässt den launigen Albert Einstein für einige kurze Momente wieder auferstehen.
Die übrige Darstellerriege liest sich wie ein Who is Who der Hollywoodstars, von
denen manch einer allerdings nur kurz auf- und gleich wieder abtritt, und bei
manchen muss man genau hinsehen, um sie überhaupt zu erkennen.
Der Film bietet nicht nur in den Teilen, die sich mit dem
Bau der Bombe beschäftigen, sondern auch in seinen verbalen Scharmützeln eine Tour
de Force, auf die sich einzulassen man angesichts der Lauflänge von drei
Stunden allerdings bereit sein muss.
Keine leichte Kost also im diesjährigen
Sommermenü, aber eines, das sich lohnen kann, wenn man sich eben darauf
einlässt, für alle Nolan-Fans allerdings ein absolutes Muss.
Regie: Christopher
Nolan
Drehbuch: Christopher
Nolan, b/a auf dem Buch von Kai Bird und Martin Sherwin
Kamera: Hoyte
Van Hoytema
Schnitt: Jennifer
Lame
Musik: Ludwig
Göransson
Besetzung:
Cillian Murphy, Emily
Blunt, Matt Damon, Robert Downey Jr., Josh Hartnett, Florence Pugh, Tom Conti, Benny
Safdie, Mathias Schweighöfer, Jack Quaid, Cary Oldman, Gustaf Skarsgard,
Kenneth Branagh, Olivia Thirlby, Rami Malek, Alden Ehrenreich, David
Dastmalchian, David Krumholtz, Casey Affleck, Dane DeHaan, Alex Wolff, Mathew
Modine,
180 min.
FSK 12
Deutscher Kinostart:
20. Juli 2023
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=NjlA8pKUavY
(Deutsch)
https://www.youtube.com/watch?v=uYPbbksJxIg
(Englisch)