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Montag, 30. Januar 2023

Im Kino: Die Frau im Nebel (Heojil kyolshim) (Decision to Leave)

Kommissar Jang Hae-joon (Park Hae-il) ermittelt im Fall eines tödlichen Sturzes, bei dem der Verdacht eines Verbrechens besteht und begegnet im Zuge dessen Seo-rae (Tang Wei), der aus China stammenden schönen Witwe des Toten, die auf ihn eine verhängnisvolle Faszination ausübt. Er verfängt sich mehr und mehr in einem Netz aus Täuschung und Verlangen, das Seo-rae immer enger um ihn zu spinnen scheint und setzt dabei seine eigene Ehe aufs Spiel…

Regisseur Park Chan-wook versteht es meisterlich, aus einem zunächst eher konventionell erscheinenden Krimi im Stile eines Film Noir – hier der ermittelnde melancholische Kommissar, dort die verdächtige Ehefrau – eine zweite Ebene über eine verhängnisvolle Liebesgeschichte mit obsessiven Zügen zu entwickeln, bei der die Protagonisten einander umkreisen, bis nicht mehr klar ist, wer Jäger und wer Gejagter ist.

Die Doppelbödigkeit der virtuos gesponnenen Geschichte entwickelt einen Sog, dem man sich, hat man sich einmal darauf eingelassen, kaum entziehen kann, dabei lockern immer einmal überraschend eingestreute humorige Elemente die Handlung auf, bevor sie ins allzu Melodramatische abzugleiten droht, und die Frage, ob die Witwe Seo-rae Opfer oder Täterin ist, bleibt bis zum – herzergreifenden – Ende hochspannend.

Wer das Ungewöhnliche im scheinbar Gewöhnlichen sucht, der ist in diesem Polizei-Thriller der Extraklasse, für den Park beim Festival von Cannes 2022 zu Recht den Preis für die beste Regie erhalten hat, genau richtig.

 


Regie: Park Chan-wook

Drehbuch: Chung Seo-kyung, Park Chan-wook

Kamera: Kim Ji-yong

Schnitt: Kim Sang-beom

Musik: Jo Yeong-wook

 

Besetzung:

Park Hae-il, Tang Wei, Lee Jung-hyun, Go Kyong-pyo, Teo Yoo, Yeon Min Park

 

CJ Entertainment

Südkorea 2022

139 min.

FSK 16

Deutscher Kinostart: 02. Februar 2023

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=B6ugcjepcSw (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=WfOzFiNa2uw (Koreanisch)

 

 

Mittwoch, 25. Januar 2023

Im Kino: Caveman

Autoverkäufer Bobby (Moritz Bleibtreu) möchte als Stand-up-Comedian neu durchstarten, aber kurz vor seinem ersten Auftritt, bei dem er sich komödiantisch mit dem komplizierten Verhältnis zwischen Männern und Frauen beschäftigen will, verlässt ihn seine Frau Claudia (Laura Tonke) und der Abend droht zu einem Desaster zu werden …

Basierend auf dem weltweit erfolgreichen Theater-Stück „Defending the Caveman“ von Rob Becke, das von den vielfältigen Missverständnissen zwischen Männern und Frauen handelt, bietet der Film in launigen Episoden einen Überblick über fast alle Tretminen, die es in einer Beziehung zwischen den Geschlechtern (hier: ausschließlich hetero…) so gib, alle eingebettet in den unter keinem guten Stern stehenden Stand-up-Auftritt, in dem der Protagonist Bobby die Geschichte seiner Ehe ausbreitet.

Die Angst, dass es hierbei zu einer Ansammlung der üblichen platten Klischees kommt, ist nicht ganz unbegründet, aber Darbietung und Inszenierung umschiffen einigermaßen elegant die gröbsten Klippen. Das Ganze ist erfreulich locker und erfrischend, was vor allem der sichtlichen Spielfreude der Darsteller zu verdanken ist. Besonders Wotan Wilke Möhring gelingt es, seiner Figur des guten Freundes und Nachbarn eine sensible und differenzierte Tiefe zu verleihen, die einfach nur Spaß macht. Aber auch Moritz Bleibtreu und Laura Tonke können überzeugen, viele ihrer Probleme dürften den Zuschauerinnen und Zuschauern durchaus vertraut sein, ein gutes Klischee zeichnet sich eben dadurch aus, dass schon irgendwas dran ist…

Wie eine Prise Salz den Geschmack des Kuchenteigs erst abrundet, hätte es für eine wirklich gute Komödie vielleicht noch eines tragischen Momentums gebraucht, aber dafür ist der Film mit seinen zahlreichen prominent besetzten Nebenrollen ein kurzweiliger Spaß über altbekannte und anscheinend unausrottbare Unzulänglichkeiten im Zusammenleben zwischen Männern und Frauen geworden – gut für einen Kinoabend zu zweit!

 

Regie: Laura Lackmann

Drehbuch: Simon Hauschild, Laura Lackmann

Kamera: Pascal Schmit

Schnitt: Charles Ladmiral, Sandy Saffeels, Korbinian Zierl

Musik: Josef Back, Till Brönner, Arne Schumann

 

Besetzung:

Moritz Bleibtreu, Laura Tonke, Wotan Wilke Möhring, Martina Hill, Jürgen Vogel, Thomas Hermanns

 

Constantin Film

D 2023

100 min.

FSK 12

Deutscher Kinostart: 26. Januar 2023

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=CahC07Wp11Q

https://www.youtube.com/watch?v=bsvUUzWaabM 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Kino: The Son

Nach der Scheidung von seiner Frau Kate (Laura Dern) lebt der erfolgreiche Anwalt
Peter (Hugh Jackman) in einer neuen Partnerschaft mit der jüngeren Beth (Vanessa Kirby), wo es auch bereits Nachwuchs gibt. In dieses Glück tritt eines Tages Peters Sohn Nicholas (Zen McGrath) aus seiner Ehe mit Kate, ein Teenager, der seiner Mutter in letzter Zeit nur noch Schwierigkeiten macht. Peter ist sofort bereit, sich um den Jungen zu kümmern, nicht ahnend, welcher Art die Schwierigkeiten tatsächlich sind, und ist völlig überfordert damit, seinem Sohn zu helfen…

Florian Zellers Adaption eines weiteren seiner eigenen Theaterstücke nach „The Father“ knüpft in keiner Weise an den Vorgängerfilm an, auch wenn Anthony Hopkins in einer Szene als Peters Vater besetzt ist, dieser Vater hat ebenfalls mit der Figur aus dem vorherigen Film nichts zu tun, dies nur zur Klarstellung vorweg.

Hier widmet sich Zeller dem schwierigen Thema „Depression“ und bewegt sich damit auf äußerst prekärem Terrain. Manchem wird dies vielleicht – weil selbst familiär betroffen – als zu schmerzhaft erscheinen, zumal es sich auch noch um Depressionen von Teenagern handelt, aber die eigentliche Tragik des Films liegt nicht in der Tatsache der Krankheit des Sohnes an sich – die natürlich für sich gesehen schlimm genug ist – sondern darin, was die Situation für dessen Vater bedeutet.

Peter nämlich ist mit einem Arschloch-Vater (Anthony Hopkins) gestraft, der sich nie um seine Familie gekümmert hat, in einem Treffen zwischen beiden verkehren sich die Rollen und man erkennt, dass eigentlich Peter der – titelgebende – Sohn ist, der seinem Vater nichts entgegenzusetzen hat. So war das Wichtigste für ihn, dessen Fehler zu vermeiden und alles besser zu machen, was ihm seiner Meinung nach auch erfolgreich gelungen war, wie Rückblicke auf unbeschwerte Tage zeigen, Ausflüge und Urlaube mit dem kleinen Nicholas, der das glücklichste Kind gewesen zu sein schien. 

Aus diesem Grund erkennt Peter Nicholas‘ Krankheit nicht als solche, sondern sieht darin sein eigenes Versagen als Vater, womöglich ausgelöst durch die Scheidung, gepaart mit den üblichen Teenagerproblemen wie Drogen oder Liebeskummer. Damit gäbe es eine Erklärung für das Unerklärbare, was jedoch ein fataler Irrtum ist, was alle Betroffenen irgendwann feststellen müssen, und dies macht der Film auch schmerhaft bewusst. Erst wenn man bereit ist, die Depression voll und ganz als Krankheit zu begreifen, ist der Weg frei für eine professionelle Therapie, aber manchmal kommen dieser Ansatz und diese Erkenntnis eben zu spät.

Der Film bietet keine leichte Kost, ist aber eindringlich und dicht, er setzt dabei nicht auf ein theaterhaftes Kammerspiel, sondern führt immer wieder auch hinaus in die Außenwelt, verengt sich dann aber immer weiter auf sein bitteres Ende hin, das zwar nicht unerwartet aber dennoch aus dem Nichts zu kommen scheint.

Zu verdanken hat der Film seine Intensität den durchweg guten Darstellern, vor allem
Hugh Jackman beweist einmal mehr seine Vielseitigkeit. Sein Porträt eines durch alle Höhen und Tiefen gehenden Menschen ist eindrucksvoll und bewegend, ungeschminkt und pur. Leider scheint ihm auch dieses Mal, wie schon so oft – man denke nur an seine Leistungen in dem Villeneuve-Film „Prisoners“ oder noch früher in Darren Aronofskys „The Fountain“ – die verdiente Anerkennung dafür versagt zu bleiben. Obwohl es nach der Uraufführung des Films bei den Festspielen in Venedig 2022 viel Lob für ihn gab, geht er auch in der diesjährigen Awards Season leer aus. Es scheint, dass sich bei den „wichtigen“ Preisverleihungen sich die JurorInnen offensichtlich mehr von viel Schminke, Fatsuits und sonstiger Verkleidung beeindrucken lassen, wie die Auszeichnungen der letzten Jahre jedenfalls nahe legen. Ungeachtet dessen ist „The Son“ großartiges Schauspielerkino im besten Sinne, ein Kammerspiel mit Tiefgang.

 


 Regie: Florian Zeller

Drehbuch: Christopher Hampton, Florian Zeller b/a Theaterstück von Florian Zeller

Kamera: Ben Smithard

Schnitt: Yorgos Lamprinos

Musik: Hans Zimmer

 

Besetzung:

Hugh Jackman, Laura Dern, Zen McGrath, Vanessa Kirby, Anthony Hopkins

 

Leonine

USA 2022

 123 min.

FSK 12

Deutscher Kinostart: 26. Januar 2023

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=cYDqE38sMMM (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=SJWRY4DzoAQ (Englisch)

 

 

Mittwoch, 11. Januar 2023

Im Kino: Acht Berge (Le Otto Montagne)

Pietro (Luca Marinelli), ein Junge aus der Großstadt Turin, verbringt mit seinen Eltern die Sommerferien regelmäßig auf dem Land in einem kleinen Bergdorf und freundet sich dort mit dem einzigen gleichaltrigen Jungen Bruno (Alessandro Borghi) an, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden wird…

Der Film zeichnet diese Freundschaft bis hinein ins Erwachsenenleben nach und lässt die beiden Protagonisten dabei immer wieder an deren Ursprung in den Bergen zurückkehren. Im ungewöhnlichen 4:3-Format türmt sich die Kulisse der Bergwelt über ihnen auf, weniger beschützend, dafür immer existenzbestimmend. Es geht um unterschiedliche Lebensentwürfe, den immer wieder von außen sehnsuchtsvoll unterstellten Zauber des Landlebens und dessen manchmal harte, abweisende und vor allem oft einsame Realität.

All dies hat durchaus seine Reize, die allerdings über die Laufzeit von mehr als 140 Minuten arg überstrapaziert werden, hier hätte wieder einmal eine Reduzierung und Komprimierung gut getan, dann hätte es ein richtig starker Film werden können. Aufgrund der deutschen Synchronisation geht leider auch ein wichtiger Teil der mit dieser norditalienischen Landschaft verbundenen Sprachidentität und des dazu gehörenden Lokalkolorits verloren, aber dieser letzte Kritikpunkt wird sicher nach wie vor im deutschen Verständnis und aufgrund der über Jahrzehnte eingefrästen deutschen Sehgewohnheiten für die meisten ZuschauerInnen ein vernachlässigbarer bleiben…

 


 Regie: Felix van Groeningen, Charlotte Vandermeersch

Drehbuch: Paolo Gognetti, Charlotte Vandermeersch, Felix van Groeningen

Kamera: Ruben Impens

Schnitt: Nico Leunen

Musik: Daniel Norgren

 

Besetzung:

Luca Marinelli, Alessandro Borghi, Lupo Barbiero, Cristiano Sassella, Elisabetta Mazzullo, Alex Sassella

 

Wildside/ DCM

2022

147 min.

FSK 6

Deutscher Kinostart: 12. Januar 2023

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=6tcOCtxNZ_M (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=i1V4Rhkwdjs (Italienisch)

 

 

Im Kino: In der Nacht des 12. (La Nuit du 12)

Für jeden Polizisten gibt es einen Fall, der ihn seine ganzes Berufleben lang verfolgt. Für Yohan (Bastien Bouillon) ist es der Mord an der jungen Clara (Lula Cotton Frapier), die in der Nacht eines 12. Oktober auf dem Heimweg von einer Party von einem Fremden mit Benzin übergossen und bei lebendigem Leib verbrannt wurde...

In diesem Polizeifilm, angesiedelt in der trist anmutenden Atmosphäre einer Kleinstadt in den französischen Alpen in der Nähe von Grenoble, entwickelt sich die Suche nach dem Täter dieser abscheulichen Tat als realistische, fast schon dokumentarisch anmutende kleinteilige Arbeit. Eingebettet in eher schmucklose Bilder, die jedoch eine eigene düstere und unheilvolle Intensität ausstrahlen, folgt man gespannt den einzelnen Rechercheschritten der ermittelnden Polizisten, allen voran des ruhig und bedacht agierenden Yohan, der hier seinen ersten größeren Fall als Ermittler leitet und – dies darf auch hier schon verraten werden – am Ende scheitert.

Obwohl dies eigentlich von Beginn an klar ist, wird man dennoch hineingezogen in die Handlung, schaut dabei quasi den Ermittlern hautnah über die Schulter, und verliert dadurch, genau wie sie, bis zum Schluss nicht die Hoffnung, dass das Verbrechen doch noch aufgeklärt werden kann. Aber diese Hoffnung bleibt vergeblich, selbst eine spätere Wiederaufnahme der Tätersuche auf Initiative einer neuen Staatsanwältin, führt nicht zum erhofften Erfolg. Es bleibt dabei, dass manche Dinge im Leben eben nicht zu einem gerechten Ende gebracht werden können, eine befriedigende Lösung versagt und damit ein Unrecht ungesühnt bleibt.

Ein etwas anderer Krimi ohne spektakuläre Action, intensiv und düster, der von seinen Figuren, vor allem der von Bastien Bouillon hervorragend interpretierten Hauptfigur Yohan, getragen wird, bei der an einmal auch die andere, vielleicht realistischere Seite, der Kriminalermittlungen erlebt, die über das übliche Einerlei der allabendlichen TV-Mörderjagden hinausgeht.

 


  Regie: Dominik Moll

Drehbuch: Gilles Marchand, Dominik Moll, b/a Buch von Pauline Guéna

Kamera: Patrick Ghiringhelli

Schnitt: Laurent Rouan

Musik: Olivier Marguerit

 

Besetzung:

Bastien Bouillon, Bouli Lanners, Théo Cholbi, Mouna Soualem, Lula Cotton Frapier

 

Haut et Court/ Ascot Elite Entertainment Group

2022

115 min.

FSK

Deutscher Kinostart: 12. Januar 2023

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=Vl14Z2VFHJs (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=_zlztTha8Mw (Französisch)