Frau Stern (Ahuva Sommerfeld) ist Jüdin, Ende achtzig und
eröffnet ihrem Arzt gleich zu Beginn des Films, dass sie sterben möchte. Bei
allem Verständnis für ihren Wunsch lehnt dieser natürlich jede Unterstützung
ab, sie befindet sich weder in einem lebensbedrohlichen Zustand, noch ist sie
überhaupt wirklich krank. Und wie sähe das aus: Deutscher Arzt verabreicht
jüdischer Patientin Sterbemittel! Derart abgewiesen, zündet sie sich erst mal
eine Zigarette an, zu Hause zieht sie noch einen Joint durch, Nachschub erhält
sie immer von ihrem netten Friseur, der offensichtlich weiß, was seine
Kundinnen wünschen. Wie man an eine Waffe kommt, weiß er allerdings auch nicht,
und auch alle weiteren Versuche, sich irgendwie ins Jenseits zu befördern,
wollen Frau Stern partout nicht gelingen. Dabei ist sie keineswegs die arme
einsame Alte, denn mit ihrer Enkelin Elli (Kara Schröder) unternimmt sie viele
schöne Dinge und erweist sich sogar als regelrechtes Feierbiest, mitten unter
Ellis jungen Freunden.
Was wie eine ziemlich schwarze Komödie klingt, ist ein
berührend-melancholischer, durch sein 4:3-Format beinahe dokumentarisch
wirkender Film, der die Frage in den Raum stellt, wann es denn eigentlich genug
sein soll mit diesem Leben, und ob man das denn nicht verdammt nochmal selbst
bestimmen dürfen sollte, wenn man eines Tages dieses Lebens müde ist. Frau
Stern, von Ahuva Sommerfeld in ihrer ersten und gleichzeitig letzten Rolle (sie
verstarb leider kurz darauf im Alter von 81 Jahren) grandios dargestellt, hat so
viel erlebt und überlebt, dabei nimmt sie immer noch an allem teil, kleidet
sich pfiffig und genießt scheinbar das Leben, wie es sich ihr darbietet. Bei
ihrer Interpretation des Liedes „Summertime“, mit brüchiger aber gleichwohl
intensiver Stimme vorgetragen, während die Kamera in Großaufnahme auf ihrem
eindrucksvollen Gesicht ruht, bleibt kein Auge trocken. Allein für einen
solchen Moment lohnt sich manchmal der Weg ins Kino!.
Trotz aller Skurrilitäten und scheinbarer Improvisationen
wirkt der Film wohldurchdacht und schafft es, etwas von Frau Sterns Kraft auf
den Zuschauer zu übertragen. Zu keinem Zeitpunkt wird sie als schrullige Alte
denunziert, sondern als Mensch, dem nichts und niemand, nicht einmal der
schleimige Moderator einer windigen Talkshow, seine Würde nehmen kann. Wenn man
jetzt nur noch einen ebenso würdevollen Abgang hinbekommen könnte…
Regie: Anatol
Schuster
Drehbuch:
Anatol Schuster
Kamera: Adrian
Campean
Schnitt: Sarah
Marie Franke, Anatol Schuster
Musik:
Konstantin Schimanowski
Darsteller:
Ahuva Sommerfeld,
Kara Schröder, Pit Bukowski, Katharina Leonore Goebel, Robert Schupp, Murat
Seven, Gina Haller, Max Roenneberg
Deutschland 2019
79 min.
Deutscher Kinostart:
29. August 2019
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