Die
50-jährige Claire (Juliette Binoche), Literaturdozentin, geschieden und
alleinerziehend, steckt in einer Lebenskrise. Ihr Mann hat sie – die übliche
Geschichte – für eine Jüngere verlassen, dann fühlt sie sich auch noch von
ihrem ebenfalls jüngeren Geliebten Ludo (Guillaume Gouix) hintergangen. Frauen
scheinen nach wie vor die Verlierer in diesem Spiel zu sein, Jugend und
Makellosigkeit lassen sich nun einmal nicht zurückholen. Oder vielleicht doch?
Aus einer Laune heraus erschafft sie sich auf Facebook neu, wo sie sich mit
einem fiktiven Foto als 24-jährige Clara ausgibt. Schon bald entwickelt sich
eine Chat-Bekanntschaft mit dem Jungen Fotografen Alex (Francois Civil), einem
von Ludos Freunden, der sich sofort von ihr angezogen fühlt, von ihrer
Klugheit, aber auch von ihrer Sinnlichkeit, der sie sich in ihren
Internetgesprächen immer mehr hingibt. Realität und Schein beginnen sich zu
verwischen und Claire verschwindet mehr und mehr hinter der fiktiven Clara,
seit langem fühlt sie sich wieder begehrt und umworben, verfällt im Umgang mit
Smartphone und Tablet zeitweise in Verhaltensmuster eines Teenagers. Alex
hingegen ist fasziniert, wie reif und tiefgründig Claire daherkommt, er ahnt
schließlich nicht, dass er es mit einer gestandenen Frau zu tun hat, mit der er
wohl nie zusammen gekommen wäre, wären sie sich im echten Leben begegnet.
Problematisch wird die Situation, als Alex darauf drängt, Claire/ Clara einmal
persönlich zu treffen…
Der
Film zeigt das Dilemma reifer Frauen, die mit viel Lebenserfahrung aufwarten
können, deren Selbstwertgefühl jedoch durch das Interesse der Gesellschaft, vor
allem des männlichen Teils, an Jugend und Frische immer tiefer hinabgezogen
wird. Natürlich werden sie noch als Menschen mit Erfahrung wahrgenommen und
geschätzt, als Frauen scheinen sie jedoch immer unsichtbarer zu werden. Eine
Ungerechtigkeit der Natur, oder eine gesellschaftliche Unwucht? Juliette Binoche
ist eigentlich der lebende Beweis dafür, dass hier etwas grundlegend falsch
läuft, sie verkörpert alles, was eine Frau ihres Alters zu bieten hat. In ihrem
Gesicht spiegeln sich ganze Geschichten von Erotik, Begehren und prallem Leben,
an ihr allein liegt es, dass dieser Film funktioniert, der sich am Ende etwas
zu sehr in Gedankenspielen bezüglich eines „Was wäre gewesen, wenn…"
verliert, indem er aus Sicht der Protagonisten einen anderen Verlauf mit
unterschiedlichen Enden in den Raum stellt. Dennoch ein sehenswerter Film, auch
im Hinblick auf die Doppelbödigkeit des Internets mit seinen Möglichkeiten,
Illusionen zu schaffen und Fantasien zu bedienen, die im realen Raum unter
Umständen kaum die Standfestigkeit von Kartenhäusern hätten, das aber auch
einen ersten Gedankenaustausch gestattet, ohne den unter Umständen ablenkenden
Einfluss einer Begegnung von Angesicht zu Angesicht.
Regie: Safy Nebbou
Drehbuch: Safy Nebbou, Julie Peyr,
b/a Roman von Cmille Laurens
Kamera: Gilles Porte
Schnitt: Stéphane Pereira
Musik: Ibrahim Maalouf
Darsteller:
Juliette Binoche,
Francos Civil, Nicole Garcia, Marie-Ange Casta, Guillaume Gouix, Jules
Houplain, Jules Gauzelin, Charles Berling, Claude Berron
Alamode Film
Frk. 2019
101 min.
Deutscher Kinostart: 08.
August 2019
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