Blog-Archiv

Montag, 27. Juli 2020

Im Kino: The King of Staten Island

In der Eingangssequenz des Films wird Scott Carlin (Pete Davidson) als ganz böser Bube präsentiert, der auf dem Highway mit seinem und dem Leben anderer spielt. Doch im Grunde ist er nur ein junger Mann ohne Orientierung oder Ambitionen, der mit 24 noch zu Hause bei seiner Mutter Margie (Marisa Tomei) lebt, während seine jüngere Schwester Claire (Maude Apatow) bereits aufs College geht.

Sein Vater starb als Feuerwehrmann im Einsatz, als Scott sieben Jahre alt war, und dies ist ihm Rechtfertigung genug, sich einfach treiben zu lassen. Er hat eine Freundin, die er nicht wirklich glücklich macht, ansonsten hängt er mit seinen Kifferfreunden ab, vor der tristen Kulisse von Staten Island, dem unspektakulärsten und unglamourösesten Stadtteil New Yorks. Wenn überhaupt von etwas, träumt er davon, ein Tattoo-Café zu eröffnen, dafür übt er das Tätowieren an jedem, der ihn lässt, zum König wird er dabei allerdings nicht. Eines Tages verliebt sich Margie ausgerechnet in den Feuerwehrmann Ray (Bill Burr) und setzt Scott ein Ultimatum, endlich auf eigenen Füßen zu stehen, worin sie von Ray bestärkt wirkt, für Scott ein Grund, alles daran zu setzen, diesen Mann wieder aus dem Leben seiner Mutter zu vertreiben. Ohne es zu merken, erwacht er dabei langsam aus seiner Lethargie und entdeckt über Umwege ganz neue Seiten an sich – die Wege ins Erwachsenenleben sind manchmal verschlungen und schräg…

Die Tragikomödie von Judd Apatow ist weder richtig tragisch noch zum Brüllen komisch und, ohne eine durchstrukturierte Handlung, ein wenig zu lang geraten. Aber sie ist charmant und liebenswert, kommt genauso verschlurft daher, wie ihr schlaksiger Protagonist, glänzend dargestellt von dem jungen Komiker Pete Davidson. Wie seine Filmfigur wurde er auf Staten Island geboren und verlor früh seinen Vater, der als Feuerwehrmann bei den Anschlägen vom 11. September ums Leben kam. Aber im Gegensatz zu seinem filmischen Alter Ego hat Davidson offenbar seinen Weg gefunden, er tritt regelmäßig in der Comedy-Show Saturday Night Life auf, hat am Drehbuch dieses Films mitgeschrieben und fungierte als ausführender Produzent.

Ihm und Apatow gelingt es, Scott, diesen großen Jungen, der nicht erwachsen werden will – im Englischen gibt es die treffende Bezeichnung Man-Child – und der viele dumme Sachen macht und sagt, zu mögen, obwohl er es allen um sich herum nicht einfach macht und man ihm zwischendurch auch mal kräftig in den Hintern treten möchte. Es ist dieses Gespür für seine Figuren insgesamt, das den Film trägt, wir sehen richtige Menschen mit ihren Problemen, für die es nicht immer sofort eine Lösung gibt, unspektakulär vielleicht und genauso unglamourös wie der Stadtteil, in dem sie zu Hause sind, aber auch sie haben Geschichten zu erzählen, und bei dieser hat man gerne eine Weile zugeschaut, am Ende ist man fast ein bisschen traurig, dass man nicht weiter dabei sein darf – etwas Besseres kann man über einen Film mit Überlänge eigentlich nicht sagen…

 

Regie: Judd Apatow

Drehbuch: Judd Apatow, Pete Davidson, Dave Sirus

Kamera: Robert Elswit

Schnitt: Jay Cassidy, William Kerr, Brian Scott Olds

Musik: Michael Andrews

 

Darsteller:

Pete Davidson, Marisa Tomei, Steve Buscemi, Maude Apatow, Moises Arias, Bill Burr,

 

Universal Pictures

136 min.

FSK 12

Deutscher Kinostart: 30. Juli 2020

und als Video on Demand

 © Universal Pictures

Trailer:  https://www.youtube.com/watch?v=azkVr0VUSTA

Mittwoch, 22. Juli 2020

Heimkino: Freies Land

Im Jahr 1992 befindet sich Deutschland im zweiten Jahr seiner Wiedervereinigung, ein insbesondere für den Ostteil schmerzhafter Prozess. Die anfängliche Euphorie hat sich in manchen Regionen in eine bleierne Lethargie verwandelt, und genau in solch eine Region wird Kommissar Stein (Trystan Pütter) aus Hamburg (straf)versetzt. Er findet sich in einer Kleinstadt an der Neiße wieder, wo er mit dem ostdeutschen Kollegen Bach (Felix Kramer) das Verschwinden zweier Schwestern untersuchen soll. Im Laufe der Ermittlungen stoßen beide auf weitere verschwundene junge Frauen, die alle eins gemeinsam hatten: sie wollten unter allen Umständen weg aus diesem gottverlassenen Kaff. Dann werden die verstümmelten Leichen der Schwestern gefunden, es besteht der Verdacht, dass auch die anderen verschwundenen Mädchen ermordet wurden, und für die beiden Ermittler beginnt eine schwierige Mördersuche.

In blass-dunklen Bildern bewegt sich der Film in einem beklemmenden Umfeld, untermalt von einem düsteren, unheilschwangeren Soundtrack. Die Enge des Nachwende-Lebens scheint im Gegensatz zu den schnurgeraden Straßen zu stehen, die immer wieder gerne von oben, über den Dingen schwebend, gezeigt werden, sie enden jedoch meistens im Nichts, führen zu verlassenen Gehöften, einer einsamen Fischfarm, einem rostigen Schiffsfriedhof oder einem menschenleeren Klärwerk. Die vorherrschenden Farben sind braun und grau, ebenso ist die Stimmung bei den verschlossenen, gleichmütigen oder abweisenden Menschen. Die verschwunden Mädchen sind in ihrer Vorstellung aufgebrochen in eine hellere, freundlichere Zukunft, dass diese Sehnsucht sie geradewegs in die Arme von perversen Schändern und Mördern getrieben hat, scheint niemanden wirklich zu interessieren.

Die unterschiedlichen Charaktere der Ermittler – hier der wenig geschätzte Besser-Wessi, auf den zu Hause in Hamburg seine hochschwangere Frau wartet, dort der Kommissar mit Stasi-Vergangenheit, der noch immer einige seiner damaligen Verhörmethoden pflegt – lässt die beiden allmählich zusammenwachsen, widerstrebend, aber der gemeinsamen Sache verbunden, stellvertretend für das gesamte schwierige Zusammenwachsen eines zerrissenen Landes. Wenn auch die mit Spannung erwartete Auflösung am Ende ein wenig enttäuscht, hat Regisseur Alvart aus einem an sich schon düsteren Krimi – das gelungene Remake des spanischen Films „La isla mínima"/ „Mörderland“ – einen packenden Thriller mit politischen Elementen gemacht, der über die sonntäglichen Standard-TV-Krimikost weit hinausreicht.  

Regie: Christian Alvart

Drehbuch: Siegfried Kramml, Christian Alvart, b/a Drehbuch von Alberto Rodríguez und Rafael Cobos

Kamera: Christian Alvart

Schnitt: Marc Hofmeister

Musik: Christoph Schauer

 Darsteller:

Trystan Pütter, Felix Kramer, Nora von Waldstätten, Ludwig Simon, Leonard Kunz, Alexander Radszun, Uwe Dag Berlin

 Deutschland 2019

FSK 16

Erscheinungsdatum DVD/ Blu-ray/ digital: 23. Juli 2020

 

Details DVD:

Laufzeit: 127 Min.

Bildformat: 2,39:1 (16:9)

Ton: Deutsch Dolby Digital 5.1

Extras: Hörfilmfassung für Blinde und Sehbehinderte

EAN: 4009750201169

 Details Blu-ray:

Laufzeit: 129 Min.

Bildformat: HD 1080p

Ton: Deutsch DTS-HD Master Audio 5.1

Extras: Hörfilmfassung für Blinde und Sehbehinderte

EAN: 4009750302163

Trailer: https://youtu.be/4ktFKwNuPiQ

Dienstag, 21. Juli 2020

Heimkino: Onward - Keine Halben Sachen (Onward)


Nach dem Start am 05. März 2020 war "Onward" nur eine kurze Zeit auf der großen Leinwand vergönnt, dann schlossen die Kinos. Seit neuerlicher Öffnung der Theater gibt es die Möglichkeit, eine Wiederaufführung zu erleben, wer kann, sollte dies unbedingt nutzen, der Film hat es verdient. Ansonsten erscheint dieser zauberhafte Film aus dem Hause Disney nun auch fürs Heimkino, und darum geht es:

Früher war mehr Magie… Ian Lightfoot und sein älterer Bruder Barley leben in einer Elfenwelt, wo es zwar jede Menge Fabelwesen gibt – der Haushund ist ein vorwitziger Drache und der neue Freund der Mutter ein Zentaur in Polizeiuniform – aber ansonsten hat die Moderne Einzug gehalten. An seinem 16. Geburtstag wird dem schüchternen Ian wieder einmal bewusst, wie sehr er den früh verstorbenen Vater vermisst, aber da erhält er die Gelegenheit, sich selbst in lang vergessen geglaubter Magie zu versuchen und den Vater für einen Tag auf die Erde zurückzuholen. Leider gelingt dies buchstäblich nur halb und plötzlich steht dessen in Hose und Schuhe gekleideter Unterkörper im Zimmer. Ian und Barley haben nur 24 Stunden Zeit, auch den Rest zu materialisieren und begeben sich zusammen auf eine abenteuerliche Suche nach dem fehlenden Zutaten für den Zauber, bei der sie unter anderem von einem domestizierten Mantikor unterstützt werden, doch die Zeit rinnt ihnen davon...

Der neue Film aus der Abteilung Pixar enttäuscht die Erwartungen nicht, er ist witzig, voller fantasievoller und schräger Ideen und wunderbar umgesetzt. So real die animierten in Mimik und Gestik auch agieren, es bleiben Animationen und das verleiht ihnen den Charme, der den animierten Realfiguren im „König der Löwen“ leider verloren gegangen ist.

Bestechend ist die gewohnte Liebe zum Detail – hier sei der langsam wachsende zarte Flaum an Barleys Kinn erwähnt – aber auch das Füllhorn an Ideen und Charakteren, die die Leinwand bevölkern, wie zum Beispiel eine Horde winziger, geflügelter, schriller Rocker auf riesigen Maschinen. Alte Mythen, wie der des furchterregende Mantikor, werden heraufbeschworen, um sie augenzwinkernd ein bisschen durch den Kakao zu ziehen, ohne sie jedoch lächerlich zu machen, selbst einem furchterregenden Fluch wird durch einen hübschen Gag der Schrecken genommen, auch wenn es bis zum Schluss eine ernsthafte Aufgabe zu lösen gilt. Und das Ende, das so kitschig und schmalzig hätte werden können, ist ganz zart und anrührend, und damit beschert ausgerechnet ein Animationsfilm einen der bislang bewegendsten Momente des noch jungen Filmjahres.

Alles in allem ein Film für Kinder, aber auch alle Eltern, solange diese ihren Sinn für die magische Welt neben der unseren nicht verloren haben.

© Walt Disney Company (Germany) GmbH
 
Regie: Dan Scanlon
Drehbuch: Dan Scanlon, Jason Headley, Keith Bunin
Kamera: Sharon Callahan, Adam Habib
Schnitt: Catherine Apple
Musik: Jeff und Mychael Danna

Originalsprecher:
Tom Holland, Chris Pratt, Julia Louis-Dreyfus, Octavia Spencer, Tracey Ullman, Mel Rodriguez,
Deutsche Sprecher:
Christian Zeiger, Leonhard Mahlich, Annette Frier, Stefan Berger, Frank Schaff, Beate Gerlach, Martina Treger


Walt Disney Pictures/ Pixar
FSK 6
102 min.

Ab 23. Juli 2020 auf DVD und Blu-ray

Details Blu-ray:
Vertrieb: Walt Disney Studios Home Entertainment
Bildformat: 1080p High Definition/ 2,39:1/ 16:9
Audio:
Englisch DTS-HD MA 7.1
Englisch DTS-HD HR 5.1
Deutsch, Italienisch (DD Plus 7.1)
Tschechisch (DD 5.1)
Untertitel: Deutsch, Englisch für Hörgeschädigte, Italienisch, Tschechisch
Bonusmaterial:
Wie alles begann
Die Einwohner von New Mushroomtown
Audiokommentar


Dienstag, 14. Juli 2020

Im Kino: Marie Curie – Elemente des Lebens (Radioactive)


Als Frau ist der 1867 in Warschau geborenen Marie Sklodowska (Rosamund Pike) in ihrem Heimatland der Weg an die Universität verwehrt, daher geht sie nach Paris, um dort Physik und Mathematik zu studieren. Beides schließt sie mit Bestnoten ab, dennoch  bleibt ihre weitere Karriere ein ständiger Kampf gegen männliche Vorherrschaft und Vorurteile. Als sie Pierre Curie kennen lernt, will sie sich auf keinen Fall von ihm fördern lassen, aber dann verlieben sich beide ineinander und wirken fortan gemeinsam. Über ihren Doktorvater, Henri Becquerel, bekommt sie Zugang zur Strahlenforschung, ihre Erkenntnisse im Bereich Radioaktivität sind noch heute wegweisend. Im Jahr 1903 wird sie zusammen mit ihrem Mann und Bequerel mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet und erhält als erste Frau Europas einen Doktortitel in eben jenem Fach. Zwei Jahre später stirbt Pierre Curie, bereits von den Strahlenforschungen gesundheitlich angeschlagen, bei einem tragischen Unfall und Marie übernimmt seinen Lehrstuhl an der Sorbonne. 1911 erhält sie als erster Mensch einen zweiten Nobelpreis, diesmal für Chemie. Trotz aller Schwierigkeiten, die sich ihr immer wieder in den Weg stellen, gibt sie nie auf, sich für ihre Wissenschaft einzusetzen. 1934 verstirbt sie, ebenfalls gezeichnet von den Auswirkungen der Radioaktivität, der sie jahrelang ausgesetzt war. 

Der Film porträtiert diese in jeder Hinsicht außergewöhnliche Frau als klug, ambitioniert und zielstrebig, Eigenschaften, die man zu ihrer Zeit einer weiblichen Person nicht zutraute und mit denen man sich auch heute bisweilen noch schwer tut. Die bahnbrechenden Erkenntnisse, die auf Marie Curies Forschungen fußen, die Entdeckung der Wirkungen von Radioaktivität mit ihren Möglichkeiten, von der Entwicklung der Strahlentherapie bei Krebserkrankungen bis hin zur Verwendung von Kernkraft zur Energiegewinnung, werden eingebettet in einen düster bebilderten Rahmen, in dem Rosamund Pike einmal mehr glänzen darf. 

Ihre Darstellung macht den Film auf jeden Fall sehenswert, ansonsten will der Funke, den eine solche Frau und Wissenschaftlerin entzündet hat, nicht immer auf den Zuschauer überspringen. Der Mensch Marie tritt größtenteils hinter der übergroßen Ikone Marie Curie zurück, auch wenn es nicht an privaten Momenten aus ihrem Leben mangelt, bleiben diese leider etwas blutleer und die Stationen ihrer Karriere werden allzu konventionell erzählt. Dennoch ist es das Verdienst dieses Filmes, ein realistisches Sittenbild jener Zeit zu zeichnen, das es um so erstaunlicher macht, wie es eine Frau unter diesen Umständen überhaupt schaffen konnte, hinter dem heimischen Herd hervorzutreten und Weltgeschichte zu schreiben. Ein Appell an alle Frauen und Mädchen, und eine Ermutigung, sich auch heute nicht von falschen Vorstellungen und Vorurteilen abschrecken zu lassen, sondern sich entschieden vorzuwagen, wenn man etwas gefunden hat, wofür man brennt...


Regie: Marjane Satrapi
Drehbuch: Lauren Redniss, Jack Thorne
Kamera: Anthony Dod Mantle
Schnitt: Stéphane Roche
Musik: Evgueni Galperine, Sacha Galperine

Darsteller:
Rosamund Pike, Sam Riley, Cara Bossom, Aneurin Barnard, Anya Taylor-Joy, Simon Russell Beale, Tim Woodward, Jonathan Aris

 StudioCanal / Amazon Studios
109 min.
FSK 6
Deutscher Kinostart: 16. Juli 2020 (nach dem ursprünglich geplanten 09. April)

Montag, 13. Juli 2020

Im Kino: Berlin Alexanderplatz


Francis (Welket Bungué) erlebt auf seiner Flucht über das Mittelmeer von Afrika nach Europa Schlimmes. Kurz vor dem Ertrinken kann er sich retten und es gelingt ihm, sich nach Berlin durchzuschlagen. Dort möchte er arbeiten, um ein anständiges Leben führen zu können, schließlich ist er jung und stark. Er lernt Leute kennen, die es gut mit ihm meinen, so wie die Prostituierte Mieze (Jella Haase), die seine große Liebe wird, er macht aber auch Bekanntschaft mit Reinhold (Albrecht Schuch), einem Menschenfänger, der es versteht, andere für sich einzuspannen. Francis lässt sich wider besseres Wissen auf Reinhold ein und das Schicksal nimmt seinen Lauf, an dessen Ende Francis seinen linken Arm, seine Freundin und seinen Vorsatz einbüßt, ein guter, anständiger Mensch zu sein, denn die Verhältnisse, sie sind nicht so…

Mit seinem dreistündigen Film ist Regisseur Qurbani ein wuchtiges und trotz seiner Länge niemals langweiliges Werk gelungen, das mit frischem Ansatz Alfred Döblins alte Geschichte des Franz Bieberkopf aus dem Berlin der 1920ger Jahre in die heutige Zeit transportiert. Wie damals gibt es die Hoffnung, in dieser Stadt sein Glück zu machen, aber ebenso wie damals, lauern überall Versuchungen und Gefahren, die nur darauf warten, einen noch so rechtschaffenen, dabei aber labilen Menschen, vom rechten Weg ins Verderben hinab zu ziehen.

Wie ein Menetekel klingt von Anfang an die Stimme Miezes aus dem Off, um ihren Francis auf diesem Weg zu begleiten, auf dem er, wie sie erzählt, dreimal straucheln wird, lakonisch, aber auch traurig ob des unausweichlichen Schicksals, das auf ihn wartet. Dieses Schicksal in Gestalt des Verführers Reinhold erweckt Albrecht Schuch in mitreißender Weise zum Leben. Anfangs als stets zur Seite gekrümmte, fast bemitleidenswert verwachsene Figur mit unwiderstehlich mephistophelischer Ausstrahlung, scheint sich dessen Körper immer weiter zu strecken, je mehr Macht er über den armen Francis gewinnt, als würde er dessen Kraft und Stärke in sich aufsaugen, um daran zu gesunden. Auch die übrigen Darsteller machen ihre Sache hervorragend, so darf Jella Haase einmal mehr zeigen, was schauspielerisch in ihr steckt, und der in Guinea-Bissau geborene Schauspieler Welket Bungué gibt seinem Francis eine bewegende Menschlichkeit, zeigt ihn als heimatlosen Strauchelnden, der in dieser Welt, in die er sich begeben hat, nie eine Chance hatte, genauso wenig, wie er sie offensichtlich in Afrika hatte, sonst hätte er dort nicht alles verlassen.

Das, was für den Franz Bieberkopf der 1920ger Jahre die Entwurzelung durch einen verheerenden Krieg und die instabilen politischen Verhältnisse dieser Zeit waren, ist heute das globale Flüchtlingselend, das immer mehr Entwurzelte produziert, solange sich an ihren Lebensumständen in ihren Heimatländern nichts ändert, eine wichtige und aktuelle Botschaft, die Burhan Qurbani beeindruckend in diese Adaption des Döblin-Romans eingebettet hat. Der Stoff mag alt sein, die Geschichte ist es nicht.




Regie: Burhan Qurbani
Drehbuch: Martin Behnke, Burhan Qurbani, b/a Roman von Alfred Döblin
Kamera: Yoshi Heimrath
Schnitt: Philipp Thomas
Musik: Dascha Dauenhauer

Darsteller:
Welket Bungué, Albrecht Schuch, Jella Haase, Joachim Król, Nils Verkooijen, Annabelle Mandeng, Lena Schmidtke

Entertainment One / Paramount Pictures
183 min.
FSK 12
Deutscher Kinostart: vorgesehen 16. Juli 2020/ 30. Juli 2020

Der Film ist zur Zeit, teilweise in Anwesenheit von Regisseur und Darstellern, auf Kinotour in folgenden Städten:

SOMMERKINO KULTURFORUM – Öffentliche Open Air Preview Berlin (11.7.)
LUNA KINO – Öffentliche Preview Ludwidsburg (13.7.)
SCALA KULTUR – Baden-Württemberg Premiere Ludwigsburg (13.7.)
KUNSTRASEN IM LANDSCHAFTSPARK – NRW-Premiere Duisburg (14.7.)
ZEISE AUTOKINO HEILIGENGEISTFELD – Öffentliche Preview Hamburg (15.7.)
KINO INTERNATIONAL – Öffentliche Sondervorführung Berlin (16.7.)

 Fotos Medianetworx

Dienstag, 7. Juli 2020

Heimkino: Colony - Staffel 2


Was bisher geschah, hier noch einmal zum nachgelesen:

Die Sci-Fi-Serie beginnt ihre zweite Staffel mit einem Rückblick, wie die Protagonisten – die Bowman-Familie, der Rebell Broussard (Tory Kittles ) und der findig-windige Alan Snyder (Peter Jacobson) – die Ankunft der „Gastgeber“ erlebt haben, um dann den Erzählstrang dort wieder aufzunehmen, wo es Will Bowman (Josh Holloway) gelingt, in den Santa-Monica-Block zu gelangen, um seinen Sohn Charlie zu finden, während gleichzeitig sein anderer Sohn Bram (Alex Neustaedter) in einem Arbeitslager dem alten Widersacher Snyder, nach seiner Entlassung als Proxy mit neuen Aufgaben vertraut, auf Gedeih und Verderben ausgeliefert ist. Ansonsten verschärft sich die Lage für die Menschen im Los-Angeles-Block, die Besatzer brauchen sich weiterhin keine Mühe zu geben, außer durch ihre hin und wieder auftauchenden todbringenden Drohnen, in Erscheinung zu treten, ihr Marionettenregime aus Opportunisten und Kollaborateuren funktioniert bestens, während auf der anderen Seite immer neue Widerstandsgruppen entstehen, um mit allen Mitteln gegen die Besatzer zu kämpfen.

Die Handlungsfäden aus Staffel 1 werden gekonnt weiter gesponnen und lassen den bekannten Charaktere immer weniger Spielraum, sich aus ihren Verstrickungen zu befreien, wobei ein geschickt eingesetzter „MacGuffin“ in Gestalt eines erbeuteten Handschuhs der Besatzer eine wichtige Rolle spielt, ebenso wie ein mysteriöser Countdown, der im Hintergrund abläuft.

Für Will und Katie Bowman (Sarah Wayne Callies) bleibt der Schutz ihrer Familie, respektive ihrer Kinder, das Wichtigste, während andere Protagonisten weniger selbstlos nur ihren eigenen Vorteil fest im Blick behalten. Dabei ist derjenige am erfolgreichsten, der es versteht, wechselnde Allianzen zu erkennen und entsprechend zu nutzen, um am Ende nicht unterzugehen, und dabei gibt es keinen Besseren als Alan Snyder, dem bei seinen Intrigen zuzusehen immer wieder ein Vergnügen ist. Die Figuren entwickeln sich, Will wird weicher, Katie im Kampf um ihre Kinder immer kompromissloser. Gut herausgearbeitet wird dabei zum einen die Frage, ob und wie viel Gewalt berechtigt ist, um sich zur Wehr zu setzen, wann man es mit moralisch legitimierten Widerständlern und wann mit verbrecherischen Terroristen zu tun hat. Die andere Frage ist, warum sich stets genügend Willige ohne Gewissen und moralische Skrupel finden, die einem Regime, wie fragwürdig und diktatorisch es auch immer sein mag, zu dienen bereit sind. Auf beides muss der Zuschauer allerdings selbst eine Antwort finden.

 
Die Spannung wird über alle Episoden hinweg hoch gehalten und die letzte Folge ist wiederum als Cliffhanger angelegt, es darf – und muss - also weitergehen, denn auch diesmal erfährt man nicht allzu viel über die Besatzer und ihre eigentlichen Ziele… Staffel 3 ist für September 2020 angekündigt.




 
Regie: Juan José Campanella, Tim Southam, Thomas Carter, Jeremy Webb, Olatunde Osunsanmi, Charlotte Brändström, Peter Leto
Drehbuch: diverse, b/a den Entwicklern Ryan J. Condal und Carlton Cuse
Kamera: Christopher Faloona u.a.
Schnitt: Nona Khodai u.a.
Musik: Clinton Shorter

Darsteller:
Josh Holloway, Sarah Wayne Callies, Peter Jacobson, Tory Kittles, Isabella Crovetti, Alex Neustaedter, Amanda Righetti

Pandastorm
 Genre: Sci-Fi
FSK 16
VÖ: ab 03. Juli 2020
 
Details DVD:
Anzahl Discs: 4
Laufzeit: 550 min. (13 Episoden à 42 min.)
Bildformat: 1,78:1 / 16:9
Ton: Deutsch DD 5.1, Englisch DD 5.1
Untertitel: Deutsch, Englisch
Extras: Episodenguide

Details Blu-ray:
Anzahl Discs: 3
Laufzeit: 550 Min. (13 Folgen à 42 Min.)
Bildformat: 1,78:1 / 1080p24 / AVC
Ton: Deutsch DTS-HD Master Audio 5.1, Englisch DTS-HD Master Audio 5.1
Untertitel: Deutsch, Englisch
Extras: Episodenguide